Wie im vorherigen Artikel zum Thema „Unternehmensverkauf: LOI – Letter of Intent“ beschrieben, ist dieser ein komplexer Prozess, der viel Zeit in Anspruch nehmen kann, da viele Zwischenschritte und Prozesse durchlaufen werden müssen.

Ein wesentlicher Bestandteil ist die Bewertung des Unternehmens, um den Kaufpreis bestimmen zu können. Dabei wird zwischen dem Enterprise Value („Brutto“-Kaufpreis) und dem Equity Value („Netto“-Kaufpreis) unterschieden. In diesem Artikel wird erklärt, welchen Unterschied es zwischen diesen beiden Kaufpreisen gibt und wie diese berechnet werden.

Bestimmung des Unternehmenswerts

Zu Beginn des Verkaufsprozesses wird der Unternehmenswert ermittelt. Hierbei wird zunächst das EBITDA (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) bestimmt. Um ein möglichst realistisches Ergebnis zu erzielen, wird das EBITDA um außergewöhnliche und einmalige Kosten oder Investitionen bereinigt (adjustiert). Beispiele hierfür sind einmalige Anschaffungen zur Instandhaltung oder Neuanschaffungen wie PKWs. Auch das Gehalt der Geschäftsführer kann adjustiert werden, wenn es im Vergleich zu anderen Geschäftsführergehältern unüblich hoch oder niedrig ist. So entsteht ein „bereinigtes“ EBITDA, das dem EBITDA nach einem Verkauf möglichst nahekommt. Die Bereinigung kann das EBITDA sowohl erhöhen als auch verringern.

Das adjustierte EBITDA wird anschließend mit einem branchenüblichen Faktor multipliziert. Das Ergebnis ist der Enterprise Value, der den reinen Unternehmenswert, widerspiegelt. Dieser Wert dient als „Brutto“-Kaufpreis und bietet eine Basis für weitere Berechnungen, da der Enterprise Value die vorhandenen Barmittel und Schulden noch nicht miteinschließt. Der „Netto“ Kaufpreis wird im nächsten Schritt ermittelt, indem sowohl die Liquidität des Unternehmens als auch die Finanzverbindlichkeiten geprüft und mit dem Enterprise Value verrechnet werden.

Vom Enterprise Value zum Equity Value

Um den endgültigen Kaufpreis (Equity Value) zu bestimmen, muss die sogenannte „Equity Bridge“ ermittelt werden. Dabei wird das Working Capital des Unternehmens betrachtet, welches das kurzfristig verfügbare Kapital beschreibt, das ein Unternehmen benötigt, um den laufenden Betrieb ohne zusätzliche Investitionen aufrechterhalten zu können. Um auch hier einen möglichst normalisierten Wert zu erhalten, wird ein Durchschnittswert des Working Capitals herangezogen, um saisonale Schwankungen und außergewöhnliche Ereignisse zu glätten. Anschließend werden die Barmittel, Verbindlichkeiten und Rückstellungen des Unternehmens betrachtet und mit dem Enterprise Value verrechnet. Es entsteht der Equity Value, der frei von Barmitteln und Schulden ist (cash & debt free) und den „Netto“-Kaufpreis widerspiegelt. Dieser wird im Kaufvertrag festgehalten und nach dem Closing des Verkaufsprozesses dem Verkäufer ausgezahlt.

Das Ziel dieser Berechnungen ist, dass der Käufer ein Unternehmen im betriebsbereiten Zustand übernimmt und der Geschäftsbetrieb nach dem Verkauf nahtlos fortgeführt werden kann, ohne dass der Käufer für beispielsweise noch ausstehende Schulden finanziell aufkommen muss.

Beispiel

Hier ein Beispiel anhand eines Autokaufs:

Ein Auto hat einen bestimmten Wert, beispielsweise 10.000 €. Dies entspricht dem Enterprise Value. Im Kofferraum befindet sich das Ersparte des Inhabers in Höhe von 5.000 €. Im Handschuhfach liegen zwei Rechnungen zu je 500 € sowie ein Darlehensvertrag über 1.000 €. Um das Auto nach dem Verkauf funktionstüchtig zu übergeben, ist es im Wert von 200€ vom Verkäufer betankt worden. Dieser Tank reicht aus, um bis zur nächsten Tankstelle zu kommen.

Die Ersparnisse, Rechnungen und Kredite sowie der Tank werden nun mit dem Wert des Autos (Enterprise Value) verrechnet. Es entsteht folgende Rechnung:

10.000 € Wert des Fahrzeugs

+ 5.000 € Barmittel

– 500 € Rechnung

– 500 € Rechnung

– 1.000 € Darlehen

– 200 € Tank

= 12.800 €

Der Equity Value ist in diesem Fall 12.800 €, frei von Barmitteln und Schulden (cash & debt free). Dieser Betrag wird dem Verkäufer nach dem Verkaufsprozess ausgezahlt.

Rechenbeispiel „Cash & Debt free“

Fazit

Der Unternehmenswert (Enterprise Value) hängt von vielen Faktoren ab und ist nicht gleichzusetzen mit dem endgültigen Kaufpreis (Equity Value). Es müssen die Liquidität sowie die Verbindlichkeiten und Rückstellungen des zu verkaufenden Unternehmens geprüft und mithilfe der Equity Bridge verrechnet werden. Dadurch wird der „Netto“-Kaufpreis (Equity Value) ermittelt, der frei von Barmitteln und Schulden ist und letztendlich ausgezahlt wird. Eine sorgfältige Planung und Durchführung des Verkaufsprozesses sind entscheidend, um einen erfolgreichen Abschluss sicherzustellen und einen fairen sowie objektiven Kaufpreis zu erzielen, der sowohl Käufer als auch Verkäufer zufriedenstellt.

Über die Autorin

Sabrina Kiel

Seit 2021 bin ich bei der Sehner Unternehmensberatung tätig und leite Projekte im Bereich der ambulanten Pflege. Mit über drei Jahren Erfahrung im Pflege- und Gesundheitssektor bringe ich umfassende Fachkenntnisse in meine Arbeit ein. Vor meiner aktuellen Position war ich beim Hamburg Center for Health Economics sowie bei KPMG Audit Corporate Health Care tätig, wo ich wertvolle Erfahrungen und Einblicke in die Gesundheitswirtschaft sammelte.

Quellenverzeichnis

AGICAP GmbH (2024): Was nützt Discounted Cash Flow Unternehmen wirklich?, https://agicap.com/de/artikel/discounted-cash-flow/#:~:text=Mit%20dem%20DCF%2DVerfahren%20werden,Discounted%20Cash%20Flow%20Modell%20bezeichnet, zuletzt zugegriffen am 15.08.2024

Fantl Consulting GmbH (o.J.): Cash free & debt free: Das bedeutet der Zusatz beim Preis für den Unternehmenskauf, https://www.betriebsboerse.at/wissenswertes/cash-free-debt-free, zuletzt zugegriffen am 15.08.2024

Rödl & Partner GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (2019): M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Cash Free & Debt Free”, https://www.roedl.de/themen/ma-dialog/2019-09/ma-vocabulary-cash-dept-free#:~:text=Der%20Begriff%20Cash%20Free%20%26%20Debt,im%20Rahmen%20von%20Unternehmenstransaktionen%20verwendet, zuletzt zugegriffen am 15.08.2024

Enterprise Value & Equity Value – Kaufpreisermittlung beim Unternehmenskauf (o.J.): https://www.rosepartner.de/enterprise-value-equity-value.html, zuletzt zugegriffen am 15.08.2024

Peters, Schönberger & Partner mbB (o.J.): Berechnung der „Equity Bridge“ bei der Multiplikatoren-Methode, https://www.psp.eu/de/equity-bridge, zuletzt zugegriffen am 15.08.2024

Loy & Co. Corporate Finance GmbH (o.J.): Unternehmensbewertung – welcher Kaufpreis ist realistisch?, https://www.loy-cf.de/unternehmensbewertung-methoden/, zuletzt zugegriffen am 15.08.2024